Unsichtbare Architektur
Ausstellung
Die Schönheiten des Alltäglichen
Das Unspektakuläre in der Architektur bleibt in der Aufmerksamkeitsökonomie meist unsichtbar. Die Schönheiten der "Unsichtbaren Architektur" offenbaren sich erst auf den zweiten Blick. Diesen gebauten Qualitäten Raum zu geben, ist ein Plädoyer für die Lebendigkeit der feinen Unterschiede und für ein Besinnen auf die Weiterentwicklung aus dem Bestand heraus. Der Beitrag für die Biennale in Venedig ist eine Einladung diese Qualitäten der aktuellen deutschen Architektur zu entdecken. Die Potentiale des Unsichtbaren gründen im kulturellen, politischen und ökonomischen Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland:
- in der vielseitigen und offenen Gesellschaft mit ihren mannigfaltigen Institutionen und Organisationen, welche diese im Kleinen wie im Großen repräsentieren,
- in der politischen Kultur des Föderalismus, im Subsidiaritätsprinzip, welches Eigenverantwortung, Diskurs- und Konsensbereitschaft stärkt,
- in der kleinteiligen und breiten, produktionsorientierten Exportwirtschaft, welche nicht auf einer spektakulären Spitze aufbaut.
Vielfalt, regionale Spezifik, Kleinteiligkeit und Komplexität mit einem starken Bezug zum Handwerk sind die Kontexte, welche die "Unsichtbare Architektur" hervorbringen.
Eine "Unsichtbare Architektur" stellt das bestehende Wert- und Selbstverständnis der Architekturproduktion vom Kopf auf die Füße zurück. Sie berührt Fragen nach der Autorschaft, nach einem integrierenden Verständnis architektonischer Raumbildung und der Anschlussfähigkeit der Architektur zu umgebenden Kontexten, nach dem Feinen und Leisen in der Darstellung, nach den substanziellen und überdauernden Werten. Gerade in der Krise, wie jener, die zurzeit viele Staaten der Welt ereilt, kann der Blick auf den verborgenen Qualitäten von Architektur ruhen, um neue Gelassenheit in den Diskurs zu bringen. Der Fokus des Bauens richtet sich wieder auf den Gebrauch. Der Begriff der Nachhaltigkeit erhält, über die ökonomische Vereinnahmung hinaus, einen gesellschaftlichen Wert. Die ausgewählten Projekte der "Unsichtbaren Architektur" sind Augenöffner dafür.
Thematische Gliederung und Projektauswahl
Mit der vorliegenden Auswahl von 11 repräsentativen Projekten gelingt es auf überschaubare Weise ein breites Spektrum der zeitgenössischen Architekturproduktion in Deutschland abzubilden. Bedeutend an der Auswahl ist, dass sie aufzeigt, wie die verschiedenen Generationen von Architekten, jüngere und ältere, bekannt und unbekannt in der Gesamtschau ein kontingentes Bild der deutschen Architektur hervorbringen. Es geht nicht allein um Namen und Erfahrung, sondern um eine gemeinsame Haltung, die aus dem deutschen Kontext heraus arbeitet. Darüber hinaus ist es aus unserer Sicht wichtig, die beteiligten Fachplaner sowie Landschaftsarchitekten mit zu präsentieren, um der Komplexität qualitätvollen Arbeitens gerecht zu werden. Nicht von ungefähr setzt die Projektauswahl einen Schwerpunkt bei der Bestandsentwicklung. Das lockere Weiterbauen ohne sich vom Alten zu distanzieren, bildet denn auch das Grundverständnis für die "Unsichtbare Architektur". Die Projekte werden drei identifizierbaren Themen zugeordnet: Atmosphärische Verheiratung / Unaufgeregte Neuartigkeit / Kontextualistische Paßstücke. Die drei Themen bilden die Eckpfeiler der "Unsichtbaren Architektur", die die Ausstellung inhaltlich strukturiert.
Thema 1: Atmosphärische Verheiratung
Insbesondere bei Umbauten ist das Konzept der "Unsichtbaren Architektur" seit längerem festzumachen. Mit der Abkehr vom, heute noch vielfach in der Denkmalpflege geforderten, Alt- Neu-Kontrast und dem Verschwinden der berüchtigten Glasfugen werden Übergänge zwischen Alt und Neu feiner ausformuliert. In minimalen Nuancen in Materialwahl oder Farbgebung werden alte und neue Bauteile aufeinander abgestimmt und miteinander verschliffen. Die Syntheseleistung zielt auf die atmosphärische Einheit eines Raumes: Alt und Neu werden verheiratet!
Thema 2: Unaufgeregte Neuartigkeit
Nicht der Verzicht auf die Autorenschaft als Architekt, sondern seine rücksichtsvolle Handschrift prägt das Konzept der "Unsichtbaren Architektur". Ohne konservative Kulturkritik oder modernistisches Großreinemachen besticht sie durch eine unaufgeregte Neuartigkeit. Die "Unsichtbare Architektur" stellt nicht die Stilfrage, feiert nicht die Technik und arbeitet ohne große Rhetorik. Ihre Lässigkeit und Selbstverständlichkeit lässt einen glauben, sie wäre schon immer da gewesen. Nach dem Ende der postmodernen Ironie und ihrem Distanzierungszwang kann man sich wieder auf Vorgefundenes einlassen und es zum Sprechen bringen: Architektur ist Hintergrund!
Thema 3: Kontextualistische Paßstücke
Die Raum- und nicht die Objektbildung stehen im Zentrum des Konzeptes der "Unsichtbaren Architektur". Der integrale Kontextualismus findet insbesondere in Bestandsquartieren seine Herausforderung. Die Eleganz der "Unsichtbaren Architektur" besteht in ihrem Vermögen zur sensiblen Einfügung. Mit Hilfe einer zurückhaltenden und vermittelnden modernen Formensprache gelingt dies auch im historischen Innenstadt-Kontext: Integration ohne Anbiederung.
Zeitraum: 06. – 20.08.2011
Team:
Florian Kessel, Roland Züger